Ehe mit Künstlicher Intelligenz: Ist Eifersucht bald kein Thema mehr? Zukunftsexperte Kai Gondlach deckt auf
Welche Zukunftsszenarien prognostiziert ein Experte? Sind es Beziehungen zwischen Mensch und Maschine oder womöglich Partnerschaften, die über 500 Jahre andauern? Zukunftsforscher Kai Gondlach hat für das Experteninterview mit Arne Kahlke, Gründer von LemonSwan, einen Blick in die Glaskugel riskiert.
Herr Gondlach, welche Gründe sehen Sie für die Bindungsunfähigkeit junger Menschen? Spitzt sich die Lage zu? Stirbt die Menschheit aus?
Unsere Lebenserwartung steigt beinahe exponentiell. In einigen Jahren wird es möglich sein, die derzeitige Lebenserwartung von 85 Jahren auf ein Alter von mehreren Hundert gesunden Jahren zu erhöhen. Genau, das hört sich stark nach Science-Fiction an. Doch wir sind schon jetzt in der Lage, Gene auszuwerten, Organe zu drucken und auszutauschen. Insofern wird der Mensch vorerst nicht aussterben, das favorisierte Beziehungsmodell entwickelt sich aber weiter zu immer kürzeren Lebensabschnittspartnerschaften. Denn wer will schon 200 Jahre mit dem gleichen Partner zusammen sein?
Die Folge: Die Ehe wird viel flexibler werden. Mehrere Personen zu heiraten, eine Ehe mit Künstlicher Intelligenz einzugehen oder das Konzept der Ehe auf Zeit – all diese Möglichkeiten sind nicht mehr so weit entfernt. Übrigens hat schon jetzt ein Mann in den USA sein Smartphone geheiratet. Aus Nachfrage resultiert Angebot – auch in Liebesdingen.
Die Mehrehe? Ist der Homo sapiens denn nicht für die Monogamie gemacht?
Jahrtausende hat der Mensch polygam gelebt, um seine Art zu erhalten. Der Monogamie-Ansatz spielt in der Zeitgeschichte erst seit wenigen Hundert Jahren eine Rolle und basiert auf dem Konzept der Sicherheit und Versorgung. Heutzutage ist dieser Sicherheitsaspekt allerdings kaum mehr relevant. Die Monogamie infolgedessen auch nicht.
Ein Glück ist die Monogamie für meine Frau und mich noch relevant ;) (Anm. Arne Kahlke) Warum sind denn gerade kurzfristige Beziehungen so beliebt?
In unserer heutigen Zeit sind wir wie nie zuvor umgeben von zahlreichen, sich schnell ändernden, kurzfristigen Reizen. Diese Reize stumpfen den Menschen ab und fördern eine immer größere Erwartungshaltung nach immer weiteren Reizen in allen Lebensbereichen. Im Liebesleben setzt sich das fort und ein Bedürfnis nach ständig Neuem entsteht. Monogame Langzeit-Beziehungen bedeuten weniger Reize, denn schließlich haben sich die Partner irgendwann aneinander gewöhnt. Die Alternative: Polygamie oder die Suche nach einem neuen „ungewohnten“ Partner.
Dass dabei der hypothetische Wunsch nach langfristiger Bindung konstant bleibt, wundert mich nicht. Der Mensch will schließlich immer genau das, was er nicht hat.
Was sagt Ihre Glaskugel? Wie sieht die Partnersuche der Zukunft aus?
Die Menschen werden immer egozentrischer. Sie gewöhnen sich an den Komfort, der sich ihnen bei der Partnersuche bietet. Neben intelligenteren Matching-Algorithmen verbessern sich auch die sogenannten Chat-Bots, textbasierte Dialogsysteme. Und natürlich humanoide Liebesroboter, die heute schon erhältlich sind. Der „Partnerersatz“ optimiert sich also zusehends. Aus diesem Grund können Singles sich ihr egozentrisches Verhalten auch erlauben – vorerst ohne Konsequenzen.
Einziges Problem: Parallel zu den kontinuierlichen Optimierungen wächst die Erwartung an das Suchergebnis. Die Enttäuschung ist groß, wenn das Ergebnis dem Wunsch nicht entspricht.
Das Fazit: Die Menschen gehen weiterhin vermehrt über digitale Kanäle auf die Suche nach Liebe und Flirts. Doch trotz aller Digitalisierung ist und bleibt der Mensch ein (Säuge-)Tier. Ohne das Zusammenspiel aus Optik, Geruch und die individuelle Wahrnehmungserfahrung geht es nicht.
Manch einer empfindet die Aussagen als lieblos und wenig romantisch… Wie wird sich die Liebe verändern und ist Eifersucht bald kein Thema mehr?
Liebe bedeutet immer Kommunikation, Austausch und sich verstanden zu fühlen. Da Künstliche Intelligenz das großenteils zu leisten vermag, entwickelt sich die Liebe in dieser Hinsicht weiter. Emotionale Nähe zu digitalen Geräten wie Alexa wird zur Normalität werden.
Bei Eifersucht handelt es sich aber um eine wirklich sehr tiefgehende Emotion. Und auch wenn die gesellschaftliche Akzeptanz gegenüber offeneren Beziehungsmodellen größer wird, so bleibt es ein schlechtes Gefühl, betrogen zu werden. Die Angst vor diesem Gefühl hält die Eifersucht am Leben.
Na, ich bin gespannt, ob ich wirklich noch 1000 Jahre alt werde – meine Frau wird sich bedanken. (Anm. Arne Kahlke) Sie haben uns sehr spannende Blicke in die Zukunft ermöglicht und wir lassen uns überraschen, welche der prognostizierten Entwicklungen eintreffen werden. Vielen Dank für das Interview.